Jeder, der in der Geschäftswelt etwas auf sich hält, kommuniziert auf Englisch, stimmt’s? Wir finden: Es kommt darauf an, wie. Toby Alleyne-Gee nimmt die Tücken des englischen Sprachgebrauchs in der Arbeitswelt unter die Lupe und plädiert für sprachliche Vielfalt.
Papier ist bekanntlich geduldig. Das Internet, so scheint es, hat eine engelhafte Geduld. In einer Zeit von ungezügelter, narzisstischer Selbstvermarktung fühlt sich Hinz und Kunz dazu aufgefordert, die eigenen Weisheiten mit der Welt zu teilen, seien es Make-up-Tutorials auf YouTube, Rezepte für verjüngende Grünkohl-und-Avocado-Smoothies auf Instagram oder gar das Geheimrezept für Erfolg im Beruf. Wir werden mit höchst innovativen Ratschlägen bombardiert: «Vergessen Sie Multi-Tasking», «Verbannen Sie negative Menschen aus Ihrem Leben» oder «Keine Ausreden mehr» – jeweils unterlegt mit «inspirierenden» Zitaten. Wenn wir die Negativität hinter uns lassen – so wird es uns gepredigt –, können wir uns «gesunde Gewohnheiten» aneignen, die uns einen Platz im Club der Erfolgreichen sichern.
Wenn es doch bloss so einfach wäre. Viele dieser Artikel sind in Englisch verfasst. Was mir jedoch bei den meisten davon auffällt, ist, wie schlecht sie geschrieben sind. Da Englisch die Sprache der Arbeitswelt und des Internets ist, nutzen wir sie oft mit einer grossen Selbstverständlichkeit, kratzen dabei aber nur an der Oberfläche der sprachlichen Möglichkeiten. Niemand behauptet, ein Lebenslauf oder ein Bewerbungsschreiben müsse ein literarisches Meisterwerk sein. Wenn man aber bei der Stellensuche positiv auffallen will, ist eine klare, präzise und korrekte Art zu kommunizieren ein guter Ansatz – egal, welche Muttersprache man spricht.
Sag, was du meinst. Meine, was du sagst.
Ausschlaggebend ist natürlich, was wir sagen. Wie wir es sagen, ist jedoch fast genauso wichtig. Da wir ständig dürftiges Englisch hören und lesen, beginnen wir, es zu kopieren. Das ist besonders gefährlich für Nicht-Muttersprachige, die möglicherweise gewisse Nuancen nicht verstehen oder aus mangelnder Stilsicherheit an der richtigen Sprachebene für den jeweiligen Kontext vorbeisteuern.
Um sich von der Masse abzusetzen, könnten Sie deshalb damit beginnen, sich folgende Tipps zu Herzen zu nehmen: Fassen Sie sich kurz. Sagen Sie, was Sie meinen, und meinen Sie, was Sie sagen. Verwenden Sie es bewusst und vermeiden Sie die folgenden auf LinkedIn gefundenen Sprachfallen:
- Modewörter und Übertreibungen
«What a great event with John this week in NYC. Awesome education with leading physicians!»Was meint der Autor genau mit «awesome»? Vielleicht eher «stimulating», «fascinating» oder «enriching»?
Ein weiteres Beispiel: «reach out». Müssen wir wirklich so dick auftragen? Würde ein simples «to contact» oder «to get in touch» nicht reichen?
«The coolest start-up pitch I ever heard. This is clearly different.» Coolest? Different? Ja, aber wie und warum?
- Saloppe Abkürzungen und Kurznachrichtensprache
Sind wir wirklich zu faul geworden, das komplette Wort «congratulations» zu benutzen? «Congrats» – allgegenwärtig auf LinkedIn – sollte nie gesagt, geschweige denn geschrieben werden.
«Thx to my passionate team.» «Kurznachrichtensprache» wie «r u coming?», «cu l8ter» oder «thx» sollte man unbedingt vermeiden. Überlassen Sie sie den Jugendlichen mit der Hoffnung, dass diese da herauswachsen. Verwenden Sie sie nie in der beruflichen Korrespondenz.
- Am Publikum vorbei kommunizieren
«Strategy operates at a systemic level, and […] the intellectual framework for strategic thinking flows from a holistic perspective that is more art than analysis.» Indem der Autor diesen nichtssagenden Satz zitiert, hofft er, sich in fremdem Erfolg zu sonnen. Der ursprüngliche Autor hatte aber wahrscheinlich selbst keine Ahnung, was er damit eigentlich ausdrücken wollte.
- Englisch-deutscher Sprachmix
«First X GmbH boots on the ground in Berlin, Germany. The expansion has started. First stop: Beschaffungskongress der Krankenhäuser.» Wieso urplötzlich die Sprache wechseln? Legen Sie sich auf eine Sprache fest und bleiben Sie dabei.
Ein weiteres Glanzstück: «UBI or not to UBI? This is the question #inspired by […] and his insights on Industrial Revolution, Human Nature and Future of Society.» Diese verschlüsselte Frage ist wahrscheinlich bedeutungslos für alle ausser dem Autor, der sich vor dem Senden dieses Beitrags besser noch einmal sein Zielpublikum vor Augen geführt hätte.
Andere Kulturen verstehen
Apropos Zielpublikum: Als Redakteur, Journalist und Übersetzer in der Schweiz, einem Land, das vier offizielle Sprachen und unzählige Dialekte hat, möchte ich mir erlauben festzustellen, dass auf LinkedIn auch Platz für andere Sprachen als Englisch ist. Trotz der Allgegenwärtigkeit der englischen Sprache ist es oft einfacher, die Leserschaft in ihrer eigenen Sprache anzusprechen. Da sind Übersetzungen von hohem Wert, denn dabei geht es darum, andere Kulturen und Mentalitäten zu verstehen sowie Konzepte zu kommunizieren, die das Zielpublikum versteht. So globalisiert wir auch äusserlich erscheinen, haben wir alle unseren eigenen kulturellen Hintergrund und möchten verstanden und geschätzt werden. Das Publikum in seiner eigenen Sprache anzusprechen, ist deshalb ein wichtiger «soft factor» (entschuldigen Sie das Modewort), der nicht unterschätzt werden sollte. Vive la différence!
Toby Alleyne-Gee lebt in Zürich und ist englischsprachiger Redakteur, Journalist und Übersetzer mit 25 Jahren Erfahrung. Er ist spezialisiert auf Geisteswissenschaften und spricht zudem Deutsch, Französisch und Italienisch. Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Translingua erstellt und frei aus dem Englischen übersetzt. Zum englischen Originaltext geht es hier lang.
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