Translingua Blog: Stille Post

Eine Botschaft so zu formulieren, dass sie bei der Zielgruppe ankommt, kann ganz schön schwierig sein – selbst in der eigenen Muttersprache. Noch viel anspruchsvoller wird es, wenn das Zielpublikum eine andere Sprache spricht. Toby Alleyne-Gee geht der Sache auf den Grund.

Für mich als Linguisten ist die Schweiz mit ihren vier Landessprachen und unzähligen Dialekten ein faszinierender Ort. Insbesondere in Zürich, wo es viele Expats und Touristen gibt, die kein Deutsch sprechen, wird Englisch zur einfacheren Kommunikation in Restaurants und Geschäften verwendet und gilt zudem als Sprache für Business und Handel.

Die Ergebnisse dieser eigentlich zuvorkommenden Haltung können ziemlich amüsant sein. Kürzlich entdeckte ich an der Zürcher Bahnhofstrasse einige unabsichtlich lustige Übersetzungen. Ein Bereich, der Mitarbeitenden vorbehalten war, wurde mit «No trespassing» gekennzeichnet. Mir kamen sofort Bilder von Bauern, die zornig mit ihren Heugabeln rumfuchteln, in den Sinn. Die Botschaft war ein bisschen heftiger als das wahrscheinlich gemeinte «No entry». In einem anderen Geschäft traf ich auf den neu ernannten «Director of Artistry». Es handelte sich dabei wohl um den neuen Artistic Director. Und in der Haushaltsabteilung eines Warenhauses war ein Bereich mit «Bad Accessories» angeschrieben. Die Verantwortlichen hatten nicht bedacht, dass «Bad» auf Englisch nicht etwa Badezimmer bedeutet, sondern «schlecht».

Im Umgang mit unseren Mitmenschen kann es manchmal ganz schön schwierig sein, eine Botschaft richtig rüberzubringen. Der Empfänger versteht möglicherweise etwas völlig anderes als das, was wir eigentlich sagen wollten. Als ob wir «Stille Post» spielten. Beim Übersetzen geht es darum, andere Kulturen zu verstehen und Informationen so zu kommunizieren, dass das Zielpublikum sie versteht – denn jede Sprache hat ihre eigenen Besonderheiten, Satzstrukturen und Präferenzen und reflektiert die Mentalität ihrer Sprecherinnen und Sprecher.

Eine ungenaue Wissenschaft

Das englische Oxford Dictionary definiert Übersetzung als «the process of translating words or text from one language into another» (der Prozess des Übertragens eines Wortes oder Textes von einer Sprache in eine andere) und «a written or spoken rendering of the meaning of a word or text in another language» (eine schriftliche oder mündliche Wiedergabe der Bedeutung eines Wortes oder Textes in einer anderen Sprache). Die Stichwörter hier sind Prozess und Wiedergabe. In dieser Hinsicht ist das Übersetzen – genauso wie Musikmachen, Malen, Kochen oder Gärtnern – keine exakte Wissenschaft.

Manche mögen mit dieser Einschätzung nicht einverstanden sein. Seit den 1990er-Jahren gibt es eine Art Revolution in der Übersetzungsbranche. In den letzten 25 Jahren wurden sogenannte «computer-aided translation tools» (kurz: CAT) entwickelt: computerunterstützte Übersetzungshilfen, die den Übersetzungsprozess vereinfachen. CAT ist nicht zu verwechseln mit maschineller Übersetzung, bei der lediglich Wörter einer Sprache mit solchen einer anderen Sprache ersetzt werden.

Ohne Mensch geht nichts

Aufgrund beeindruckender technologischer Fortschritte werden diese Tools immer ausgefeilter und sind leicht erhältlich. Dies führte zu einem weitverbreiteten Vorurteil: Es wird oft angenommen, eine Übersetzung könne auf Knopfdruck erstellt werden. Mit einem Mausklick erhält man aber noch keine gute Übersetzung, weil für diese ein ganzer Satz im Ausgangstext erkannt und das bestmögliche Äquivalent in der Zielsprache gefunden werden muss. Obwohl einige Texte tatsächlich direkt übersetzbar sind, können die meisten Texte nicht einfach wortwörtlich wiedergegeben werden. Wortspiele, Ironie, Humor und regionale Eigenheiten gehen in Übersetzungen oft verloren.

Deshalb ist der menschliche Aspekt essenziell. Lorenz Eymann, Geschäftsleiter von Translingua in Zürich, sieht beide Seiten der Medaille. «Seit der Gründung vor über 40 Jahren setzt Translingua auf modernste Tools. Der Einsatz neuer Technologien zieht sich wie ein roter Faden durch die Firmengeschichte. Wir lassen uns jedoch nicht einfach von neuen Gadgets blenden, sondern prüfen jede technologische Innovation auf Kundennutzen und Effizienzgewinn.»

Genaue Kriterien

Beim technologischen Fortschritt geht es aber nicht nur um Prozessoptimierung. «Technologische Hilfsmittel können sprachliche Vielfalt oft nicht vollständig abbilden», betont Eymann. «Für höchste Sprachqualität und exakte, starke Sprachbotschaften sind erfahrene Fachübersetzer und Lektoren unabdingbar.» Und was braucht es, um Translinguas anspruchsvolle Kriterien zu erfüllen? «Ein guter Fachübersetzer oder eine gute Fachübersetzerin spricht die Zielsprache als Muttersprache, hat eine Übersetzerausbildung absolviert oder langjährige Erfahrung im Übersetzen», erklärt er weiter. «Mehrere Jahre Erfahrung in einem spezifischen Fachgebiet sind ideal, wobei man sich das Wissen auch ‹on-the-job› erarbeiten kann. Es ist sehr wichtig, dass der Übersetzer sich im jeweiligen Fachgebiet auf dem aktuellen Stand hält, die verfügbaren Übersetzungshilfen nutzt und nicht einfach übersetzt, was er liest, sondern mitdenkt sowie Inkonsistenzen, Ungenauigkeiten oder Fehler im Ausgangstext erkennt. Ausschlaggebend ist jedoch, dass er den Kontext richtig erfasst und ein gutes Gespür für die Intention und das Ziel des Textes hat, damit er den Nerv der jeweiligen Zielgruppe trifft.»

Vom Regen in die Traufe

Wir haben bereits festgestellt, dass holprige Übersetzungen durchaus amüsant sein können. Wenn jedoch im offiziellen, rechtlichen, ökonomischen, ökologischen oder politischen Kontext ungenau formuliert wird, kann das schwerwiegende Konsequenzen haben. Ein Grosskonzern, der seinen Ruf retten oder ein Fehlverhalten korrigieren will, muss sich sicher sein können, dass die Medienmitteilung nicht nur mit der grössten Genauigkeit übersetzt wird, sondern auch alle Konventionen hinsichtlich der Sprachebene in der Zielsprache einhält. Ansonsten kommt er vom Regen in die Traufe. Natürlich sollten wir die technologischen Fortschritte nutzen, denn sie vereinfachen den Übersetzungsprozess. Aber sie werden niemals den menschlichen Verstand ersetzen, der zwar seine Schwächen und Verschrobenheiten hat, aber auch Scharfsinn, Humor, Eloquenz und einen grenzenlosen Ideenreichtum besitzt. Zukünftig werden wir noch komplexere Tools, die uns beim Übersetzen unterstützen, benutzen. Für Übersetzungen, die so gut sind, dass man gar nicht merkt, dass sie Übersetzungen sind.

Toby Alleyne-Gee lebt in Zürich und ist englischsprachiger Redakteur, Journalist und Übersetzer mit 25 Jahren Erfahrung. Er ist spezialisiert auf Geisteswissenschaften, spricht ausserdem Deutsch, Französisch und Italienisch bzw. übersetzt aus diesen Sprachen. Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Translingua produziert.


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