Bei der professionellen Übersetzungsarbeit spielt Lokalisierung eine wichtige Rolle. Dabei geht es um die Anpassung von Inhalten an verschiedene Zielmärkte, denn es gilt die vielfältigen kulturellen Unterschiede erfolgreich zu überbrücken.
Dies fällt auch im Alltag nicht immer leicht. James Walder hat genau hingehört und für uns einige amüsante Beispiele gesammelt. Das Translingua-Team wünscht viel Spass bei der Lektüre!

Vor ein paar Tagen stand ich beim lokalen Bäcker meines Vertrauens in der Warteschlange. «Ich krieg᾿ ein dunkles Vollkornbrot», meinte an der Theke eine adrett gekleidete Frau in reinstem Hochdeutsch. Der Blick der Inhaberin verfinsterte sich in einem Sekundenbruchteil. Es wurde still im Laden, der Mann vor mir betrachtete interessiert seine Halbschuhe von oben. Eine gute Idee, wie ich fand – ich tat es ihm gleich. Hätte mein Helm nicht draussen am Töfflenker gebaumelt, hätte ich wohl auch diesen noch aufgesetzt, um mich unsichtbar zu machen. Denn so ein Zusammentreffen von verschiedenen Kulturen kann schon einmal eskalieren. Aber anstatt ein: «Sie kriegen gleich ein Gipfeli an den Grind geworfen», fing sich die Chefin wieder und fragte zuckersüss (wie der Berliner, den ich mir nach diesem Rencontre gönnen würde) und nur noch leicht gereizt zurück: «Sie hetted also gern äs tunkels Vollchornbrot?». In der Folge nickte die deutsche Mittdreissigerin nur, bezahlte, nahm ihr Brot und verliess die Bäckerei mit einem verwirrten Gesichtsausdruck im Stechschritt.
Was kann denn eigentlich schief gehen im deutschen Sprachraum? Eine Menge, wie ich meine. Man sagt zwar immer, die Bewohnerinnen und Bewohner der Alpenregionen seien sich wahnsinnig ähnlich. Aus sprachlicher Sicht kann ich dem nicht zustimmen. Ich mag die österreichische Comedyszene und die Komiker aus Bayern – aber richtig verstehen kann ich sie trotzdem nicht. Gut, das gilt auch für Walliser – im Militärdienst habe ich mit denen einfach Englisch gesprochen …
Die Gefahr für das schweizerdeutsche Lokalkolorit ist die Tatsache, dass natürlich zahlenmässig viel mehr Deutsche in der Deutschschweiz leben und arbeiten als umgekehrt. Wenn ich also in Hamburg im Restaurant auf Schweizerdeutsch bestelle, werde ich zuerst «als so niedlich» bezeichnet und ziemlich sicher hungrig bleiben, wenn ich das sprachliche Rätsel nicht auflöse. In der Schweiz kann ich – ausser in meiner Bäckerei – genauso etwas bestellen wie nördlich der Grenze. Gut, ein nettes Bitte oder Danke würde auch hier nicht schaden. Die Deutschschweizer sind im Grossen und Ganzen äusserst anpassungsfreudig. Nicht zuletzt darum sehe ich die Eigenheit der Sprache ein Stück weit bedroht in unserem urbanen Multi-Kulti-Umfeld.
Der Kumpel meines 15-jährigen Sohns ist ein überaus netter Bursche, der erst kürzlich aus Deutschland zugezogen ist. Nun kopieren sie sich gegenseitig. Mein Sohn sagt jetzt plötzlich Fahrrad statt Velo. (Die Hälfte von dem, was er sagt, verstehe ich sowieso nicht. Entweder murmelt er etwas zu leise in seinen neuen Schnauz hinein oder verwendet Jugendslang, den er mir zuerst kurz erklären muss). Dafür meinte sein Kamerad kürzlich, er gehe in den Ferien «go schaffe» und nicht «arbeiten». Vielleicht ist meine Sorge ob der sprachlichen Verdrängung der heimischen Ausdrücke also völlig unbegründet? – Nein, denke ich, als ich heute ein paar Zeitungen durchblättere: «Basel watscht den FC Zürich ab – 4:0», das sagt doch bei uns niemand. Eher «Kantersieg für den FC Basel». Oder: «Ein auf dem Gehsteig geparkter LKW führte dazu, dass zahlreiche Fussgänger*innen unvermittelt auf die Fahrbahn traten, was ein Verkehrschaos verursachte.» Also: «Weil ein Lastwagen verbotenerweise (das ist in der Schweiz ein wichtiges Faktum) auf dem Trottoir parkiert hatte, traten viele Fussgängerinnen, Fussgänger und genderneutrale zu Fuss gehende Mitmenschen, ohne zu schauen, auf die Fahrbahn, was zu einem Stau führte.»
Aber mein Sohn sagt, es sei eigentlich egal, was in der Zeitung oder in Büchern stehe, da ich (sein Vater) sowieso noch der Einzige sei, der so ein gedrucktes Stück Vergangenheit genau betrachte. In Zeiten von Twitter und WhatsApp sei das Wichtigste, «dass du halt schnallsch, was dä ander meint». Da spiele Schweizerdeutsch, Hochdeutsch, Englisch oder Mandarin keine Rolle. Die Welt sei ein Dorf – Begriffe global verständlich. Angesichts dieser Aussagen bin ich gefrustet und brauche dringend etwas aus der Bäckerei. Ob ich heute einfach einmal aus Spass: «Ich krieg᾿ einen Berliner!» schreie? Wohl besser nicht, es könnte missverstanden werden. Mit meinem Ranzen schaue ich nämlich tatsächlich ein wenig schwanger aus.
James D. Walder (51) ist seit 30 Jahren Journalist, Texter, Übersetzer, Redaktor sowie Fotograf. Am liebsten ist er freischaffend unterwegs. Dieser Text wurde in Zusammenarbeit mit Translingua erstellt.
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